70 Jahre Imkerverein Kirchweyhe (1949 – 2019)
Zusammenstellung der Chronik nebst Anlagen durch Xenia von Weyhe
20. Januar – 10. März 2019
Die Gründung 1949
Am 06.11.1948 ersuchten 20 Imker aus Kirchweyhe, Sudweyhe & Lahausen beim Landesverband Hannoverscher Imker die Genehmigung, sich zu einem „Imkerverein Kirchweyhe“ zusammenschließen zu dürfen.
In der Antragstellung ist von „zu großen Entfernungen und ungünstigen
Wegeverhältnissen“ zum bisherigen Imkerverein Melchiorshausen die Rede. Da mit Friedrich Plöger der Großvater des heutigen ersten Vorsitzenden Manfred von Weyhe Gründungsmitglied dieses neuen Imkervereins war, ist jedoch überliefert, dass der neue Zusammenschuss auf Streitigkeiten wegen gefühlter ungerechter Verteilung von Winterfutter für die Bienen basierte.
Honigbienen (in der Folge vereinfacht nur noch „Bienen“ genannt) sammeln in der Natur Nektar, produzieren daraus Honig und tragen diesen als Vorrat in ihre Waben ein, um insbesondere im kalten, blüten- und somit trachtlosen Winter als ganzes Volk überleben zu können. Nach der imkerlichen Honigernte im Sommer müssen die Bienenvölker daher bis heute (!) mit einem Ersatz – dem Zuckerwasser – gefüttert
werden.
Zucker war nach Kriegsende ein kostbares Gut. Da der Honig der Bienen jedoch wertvoller war, wurde die Bienenhaltung (noch bis mind. 1967) gezielt durch die steuerfreie bzw. -vergünstigte Ausgabe von Zucker an die Imker unterstützt. Der für die Bienen vorgesehene Zucker wurde zum Schutz vor anderweitiger Verwendung „vergällt“, also zum einen mit Eisenoxyd rötlich eingefärbt & zum anderen durch die Zufügung von Octosan (Octaacetylsaccharose) als Lebensmittel ungenießbar (zwar nicht giftig, aber extrem bitter) gemacht.
Dem Antrag der Imker wurde stattgegeben und so am 20.03.1949 offiziell der Imkerverein Kirchweyhe gegründet.
Noch bis zum Ende der 50er Jahre war die Zuckerversorgung das Thema Nr. 1 unter den Imkern. Im Archiv des Vereins gibt es detaillierte Aufzeichnungen über die grammgenaue Verteilung des subventionierten Zuckers, aber auch über den gemeinsamen Einkauf & die anschließende Weitergabe von normalem Zucker. Je nach Verfügbarkeit ist hier von 2-5 kg/Volk die Rede, was für den ganzen Verein 500-2.000 kg/Jahr bedeutete.
Heutzutage erspart die Zuckerindustrie den Imkern das mühselige Aufkochen von Wasser & Zucker auf dem heimischen Herd und bietet ihnen bereits fertige Futterlösungen in Cubitainern an. Diese werden ganz einfach in die modernen Bienenkästen hineingestellt und mit einem Steigrohr versehen. Die Bienen klettern in die Behälter hinab, saugen dort das Winterfutter auf und tragen es nach entsprechender Verarbeitung in die Zellen ihrer Waben ein.
Durch Zucht & Änderungen in der Betriebsweise sind die Bienenvölker heute aber viel stärker als noch vor 70 Jahren – entsprechend höher ist auch ihr Futterverbrauch im Winter. Aktuell bekommt jedes Volk nach der letzten Honigernte bis zum Herbst etwa 15-20 kg Futterlösung für die trachtlose Zeit zur Verfügung gestellt. Problematisch ist, wenn der Winter zu mild ist und die Bienen nicht zur Ruhe kommen – im schlimmsten Fall sogar die Königinnen ihre Ei-Ablage nicht einstellen und die Völker somit „in Brut bleiben“.
Bei dieser erhöhten Aktivität sind die Wintervorräte nämlich schnell aufgebraucht und die Völker können verhungern. Für unsere Bienen ist es deshalb von Vorteil, wenn der Winter knackig-kalt ist und möglichst zum März hin endet, anstatt durch wiederkehrende Kälteeinbrüche bis in das spätere Frühjahr hineinzureichen. Imker beobachten daher kritisch, welchen Einfluss die Klimaveränderungen langfristig auf die Biologie und das Überleben unserer Bienen haben.
Der Imkerverein Kirchweyhe erwirbt jedenfalls noch heute das Winterfutter für seine Bienen in einer Einkaufsgemeinschaft. Hierdurch sollen mithilfe der Gesamtmenge nicht nur attraktivere Konditionen erzielt, sondern auch der Aufwand (Bestellung, Abholung oder Versand) für jeden einzelnen Imker möglichst gering gehalten werden.
1951 trat mit Ella Meyer aus Kirchweyhe die erste Frau dem Imkerverein bei. Sie bewirtschaftete in den Folgejahren 3-5 Völker. 2019 hat der Verein 7 weibliche Mitglieder, wobei zwei davon sogar dem Vorstand angehören. Auch wenn im folgenden Text weiterhin vereinfacht nur vom „Imker“ die Rede ist, so sollen sich die zahlreichen Imkerinnen natürlich immer gleichlautend mit angesprochen fühlen.
Die 1960’er
1960 errichtete der Imkerverein Kirchweyhe im Renzeler Moor ein Bienenhaus. Bereits seit 1949 existieren jährliche „Übersichten der Wanderimker“. Als „Wandern“ bezeichnet die Imkerschaft das Umstellen von Bienenvölkern in blühende Trachten, um entsprechende Honige ernten bzw. die Bestäubungsleistung der Bienen verkaufen zu können. Im Idealfall entstehen auf diese Weise sogar „Sortenhonige“, d.h. Honige, die nachweislich überwiegend nur von einer Trachtpflanze stammen – wie z.B. Rapshonig, Akazienhonig, Lindenhonig – und die der Verbraucher mitunter gezielt sucht und auch entsprechend bezahlt.
Um also hochwertigen Heidehonig ernten zu können, verfrachteten die Weyher Bienenhalter ihre Völker per Kleinbahn (später auch per Traktor des Müllers Hüneke aus Kirchweyhe oder per LKW der Genossenschaft Sudweyhe) zunächst Richtung Drentwede, später Richtung Renzel. Von dort aus ging es per Pferdegespann der örtlichen Bauern (die Frachtleistung wurde durch Honig bezahlt) ins Moor. Lange vor der Erfindung von GPS-Sendern waren es die Ehefrauen der Imker, die die Völker vor einem Diebstahl beschützen mussten. Sie wohnten abwechselnd in einer eigens hierfür entwickelten, spärlich ausgestatteten Gartenlaube (Strohunterstand) in unmittelbarer Nähe zum Bienenstand. Sie waren hier auch für das Wiedereinfangen von evtl. abgehenden Bienenschwärmen verantwortlich.
Die Wanderimker teilten sich so nicht nur die Risiken & die Frachtkosten, sondern beantragten auch gemeinsam die notwendige „Wandergenehmigung“. Noch heute werden beim Übertritt von Landkreis-Grenzen Wandergenehmigungen benötigt. Lag der Grund früher hauptsächlich im Schutz der möglichen Trachten und daraus erzielbarer Ernten vor einer zu großen Anzahl interessierter Imker (1970 wurde der IV Kirchweyhe beispielsweise aufgefordert, seine Bienen unverzüglich aus dem Moor zurückzuholen, da die örtlichen Imker Schwierigkeiten sahen, ihre eigenen Völker ausreichend zu versorgen), so liegt er heute vornehmlich in der Verhinderung der Ausbreitung von Krankheiten.
Um eine Wandergenehmigung zu bekommen, müssen die Völker zunächst von entsprechend ausgebildeten Bienensachverständigen (BSV) beschaut & beprobt werden. Die Proben werden im Labor auf Erreger der Amerikanischen Faulbrut (eine meldepflichtige Tierseuche – hierzu später mehr) untersucht. Ist der Befund „sporenfrei“, kann beim örtlichen Veterinäramt eine Gesundheitsbescheinigung beantragt werden. Diese muss wiederum beim Veterinäramt des Ziel-Wanderortes vorgelegt werden, um eine Wandergenehmigung zu bekommen.
Die Weyher Imker sind heute allerdings sehr standort-treu – Mitte der 90er Jahre wurde der Heidestand zuletzt aufgesucht. Gewandert wird so gut wie gar nicht mehr und schon gar nicht über Landkreis-Grenzen hinweg. Diesen Aufwand (Platzsuche, Antragstellungen, Transporte & Kontrollfahrten) und auch die damit verbundenen Risiken (Reisestress & erhöhter Spritzmitteleinsatz in Monokulturen = erhöhte Bienenverluste) nehmen überwiegend nur noch Berufs- oder Nebenerwerbsimker auf sich, aber nicht die etwa 130.000 Hobbyimker, die es aktuell in Deutschland gibt.
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Aus einer Übersicht des Jahres 1960 lässt sich bereits entnehmen, wie vielfältig die Behausungen & Betriebsweisen für Bienen sein können. Über Jahrhunderte haben sich Imker weltweit mit einer möglichst bequemen und zugleich erfolgreichen Bienenhaltung auseinandergesetzt. Entstanden ist dabei eine Vielzahl verschiedener Werkzeuge & Hilfsmittel sowie (vergleichbar mit den Automarken) insbesondere diverse Maße für Beuten & Rähmchen, worin die Bienen leben. Waren es 1960 schon „Freudenstein, Kuntsch & Deutsch Normalmaß“, findet man im heutigen Imkerverein auch „Zander & Dadant“. Das Internet ermöglicht heutzutage den Zugriff auf Materialien aus aller Welt; und auch auf der jährlich in Münster stattfindenden Apisticus-Messe werden unentwegt neue Entwicklungen präsentiert. Dabei ist es eigentlich von Vorteil, wenn lokal auf möglichst gleichem Maß geimkert wird, damit sich die Tierhalter im Bedarfsfall problemlos mit Material aushelfen und untereinander auch überzählige Völker weitergeben oder verkaufen können.
Ob die Hülle der Bienenbeuten dabei traditionell aus Holz oder aus dem in den 80er Jahren aufgekommenen Styropor ist, spielt für das Rähmchenmaß und die Bienen dabei keine Rolle. Imker, die in den letzten Jahren mit der Bienenhaltung begonnen haben, entscheiden sich wieder vermehrt für Bienenbeuten aus Holz, um den Insekten eine möglichst naturgetreue Wohnung anbieten zu können. Styropor ist im Vergleich zum Holz jedoch um einiges leichter und daher auch im höheren Alter leichter zu heben und umzustellen. Jeder Imker kann glücklicherweise nach seinen individuellen Möglichkeiten & Anforderungen frei entscheiden.
Fakt ist, dass sich in den 60er Jahren eine sukzessive Umstellung von den traditionellen Hinterbehandlungsbeuten zur Magazinbauweise ergeben hat. Statt fester, starrer Kästen konnten die Bienenbeuten nun je nach Volksstärke & Jahresfortschritt flexibel etagenweise erhöht oder erniedrigt werden. Dieses stellt heute die häufigste Form der Imkerei dar. Die bei den meisten Menschen noch bekannten Bienenkörbe aus Stroh & Lehm stellen nur noch eine untergeordnete – vornehmlich Liebhaber-Rolle dar. In Kirchweyhe sind bereits 1960/61 die letzten Bienenkörbe aufgegeben worden. Der Tradition folgend findet man diese heutzutage eigentlich nur noch in der Lüneburger Heide vor
Die 1970’er
Zum Ende der 60er Jahre ließ das Interesse am Imkerverein Kirchweyhe immer weiter nach, Versammlungen & angebotene Vorträge wurden kaum noch besucht. Mit 9 Mitgliedern und 38 Völkern erlebte der Verein 1970 (aus unerklärbaren Gründen) seinen bisherigen Tiefpunkt.
Entsprechend spärlich sind auch die Aufzeichnungen im Archiv des Imkervereins. Daher nutzen wir diese „Lücke“, um über die schon frühe und bis heute andauernde kontinuierliche Kenntniserweiterung der lokalen Imkerschaft zu berichten.
Begann es 1959 zunächst mit dem Erwerb eines Vereins-Abos der Zeitschrift „Deutsche Bienenwirtschaft“, wurden in den 60er Jahren schon Ausflüge zu Imkermeistern der Umgebung, wie z.B. Heinrich Holtermann in Brockel oder Herbert Eickmeyer in Lüdingworth, später auch Wolfgang Golz in Hambergen sowie zum Bieneninstitut in Celle unternommen.
Auf den gemeinsamen Treffen & Versammlungen wurden verschiedene Tonband- & Lichtbildvorträge bekannter Imkermeister abgespielt. Auch Vereinsmitglieder, vornehmlich Lehrer, wie Konrektor Rendigs aus Sudweyhe, Erich Lange aus Dreye oder Ludwig Lawin aus Lahausen hielten Kurzreferate. Zusätzlich wurden Vorträge von Imkermeistern in Vereinen der Umgebung besucht. Die Themen waren vielschichtig und reichten von den allgemeinen praktischen Betriebsweisen in der Imkerei, über die neu aufkommende Magazinimkerei, die Königinnenzucht, die Honig- & Ernährungskunde bis hin zur Bienengesundheit.
In den 90er Jahren schaffte sich der Verein einige Videofilme, Schulungsmappen und Broschüren für seine Öffentlichkeitsarbeit und Mitgliederwerbung an. 8 (!) Vereinsmitglieder absolvierten auf einen Schlag den Honiglehrgang – eine Voraussetzung, um Honig im Verbandsglas des Deutschen Imkerbunds, dem sogenannten DIB-Glas, abfüllen und in den Verkehr bringen zu dürfen. Die Imker unternahmen einen Ausflug zur Inselbelegstelle auf Spiekeroog sowie in das Goldenstedter Moor.
Von 1995 bis 2015 war der Imkerverein Kirchweyhe Pächter einer kleinen Parzelle im Kirchweyher Bruch, damit Vereinsmitglieder hier vorübergehend Ableger, d.h. Jungvölker aufstellen konnten, bevor diese an den finalen Standplatz gebracht werden sollten.
2014 wurde eine geeichte Waage, 2015 ein neues Refraktometer und 2017 eine Minischleuder für Anfänger & Demonstrationen erworben. Die bereits in den 50er Jahren angeschaffte Honigschleuder inkl. Entdeckelungsgeschirr & Doppelsieb sowie die Dezimalwaage mit 5 Gewichtsstücken sind leider über die Jahrzehnte verloren gegangen.
2017 wurde mit einem Mäh- und Dengelkurs für die Sensenbenutzung die vorerst letzte Schulung auf Vereinsebene durchgeführt. Gründe für diese spezielle Schulung: Bienen kommunizieren mithilfe von Tanz-Vibrationen. Rasenmäher-Einsätze vor Bienenständen stören und machen die Bienen aggressiv. Außerdem: Nicht jeder Imker hat einen Anhänger, um einen Rasenmäher zu seinen Außenständen mitnehmen zu können. Die Lösung: Das traditionelle Mähen mit der Sense.
Auch auf Landkreisebene sowie im Umkreis werden über das Jahr verteilt zahlreiche interessante Vorträge & Schulungen angeboten, die immer wieder auch von Mitgliedern des Imkervereins Kirchweyhe besucht und deren Inhalte durch anschließende Gespräche weitergetragen werden.
Doch nun zurück zur eigentlichen Chronik des Imkervereins:
Die 1980’er
Die 80er Jahre standen bei den Imkern – deutschlandweit – ganz im Zeichen der „Varroa-Milbe“. Hierbei handelt es sich um einen Parasiten, der sich vom Blut der Biene ernährt und mit seinem Wirt zusammen im Bienenkasten wohnt, ja sogar seine Nachkommenschaft in dessen Brutzellen entwickeln lässt. Das Blutsaugen schwächt die Entwicklung der Bienenbrut, so dass diese mit verkrüppelten Flügeln schlüpft, somit flugunfähig ist und dem Volk langsam die junge, gesunde Arbeitskraft ausgeht und dadurch schließlich zusammenbricht.
Nach neueren Erkenntnissen werden beim Blutsaugen – vergleichbar mit Malaria – auch Viren auf die erwachsenen Bienen übertragen. Diese Viren verursachen wiederum u.a. eine Orientierungslosigkeit bei den Insekten und lassen die betroffenen Bienen entweder in fremde Völker verfliegen und somit die Varroen weiter verbreiten, oder mitunter auch ein ganzes Volk „leer fliegen“.
Varroa-Milben waren zunächst nur in Asien beheimatet, wurden aber in der Mitte des 20. Jahrhundert mehr und mehr weltweit verschleppt. Der erste deutsche Nachweis stammt aus dem Jahre 1977. Der parasitäre Befall der Völker (die „Varoose“ bzw. früher „Varroatose“) traf die Imker völlig unvorbereitet. Die Forschung und Entwicklung waren längst noch nicht soweit, um die Verbreitung & Auswirkungen absehen sowie Bekämpfungsstrategien präsentieren zu können – ganz im Gegensatz zum heutigen Beispiel, dem „Kleinen Beutekäfer“, einem Parasiten, der vor wenigen Jahren aus Afrika nach Italien eingeschleppt wurde. Über von ihm ausgehende Gefahren für die Bienenvölker wird schon jetzt pro-aktiv auch unter der deutschen Imkerschaft geschult.
Doch zurück zur Varroa: Gemäß den Vereinsunterlagen musste bei einem Wanderwunsch seit 1979 nicht mehr nur die Freiheit von der Amerikanischen Faulbrut, sondern nun auch von der Varroatose – „sowohl im Wandervolk, als auch im Umkreis von 5 km“ – amtstierärztlich bescheinigt werden. Bereits 1985 wurde die „Umkreis-Vorgabe“ wieder aus dem Formular gestrichen und wenig später auch der gesamte Varroa-Passus aus den Wandergenehmigungen gelöscht. Es wurde rasch erkannt, dass kaum ein Volk von der Milbe verschont geblieben war.
Im gleichen Jahr starteten erste Versuche, dem Milbenbefall durch „Folbex-Räucherstäbchen“ (Wirkstoff Isopropyl-4,4-dibrombenzilat) beizukommen. In den Folgejahren wurden von der chemischen Industrie verschiedenste Mittel entwickelt und auf den Markt gebracht, wobei das Bekannteste, weil seit etwa 1988/89 nachweislich erste erfolgreiche, „Perizin“ (Wirkstoff Coumaphos) gewesen sein dürfte.
Aufgrund von inzwischen festgestellten Rückstandsbelastungen in Honig & Wachs sowie möglichen Schädigungen oder zumindest unnötigen Belastungen der Bienen schrecken die meisten Imker inzwischen vor chemischen Mitteln zurück.
Stattdessen werden mithilfe von „Gemüllediagnosen“ erstmal die individuellen Varroa-Befallsgrade der einzelnen Bienenvölker festgestellt, zunächst biotechnische Maßnahmen (z.B. Drohnenbrut-Ausschnitt & Ablegerbildung) ergriffen und nur im notwendigen Rahmen natürlich-biologische Säuren (wie Milch-, Ameisen- oder Oxalsäure) eingesetzt, um das Varroa-Problem in Schacht zu halten.
Imker haben gelernt, dass sie die Varroa-Milbe nicht ausmerzen, aber ihre Population gering halten können, um das Überleben der Bienenvölker sicherzustellen. Der Imkerverein Kirchweyhe folgt hier den Empfehlungen des zuständigen Bieneninstituts in Celle, erwirbt die organischen Säuren seit 2001 als Sammelbestellung auf Vereinsebene und hat sich mit den übrigen Vereinen im Landkreis auch auf einen gemeinsamen Behandlungszeitraum verständigt, um die Gefahr einer lokalen Re-Infizierung zu minimieren.
Parallel geht die Forschung weiter – insbesondere um auf mögliche Resistenzen vorbereitet zu sein. Das Vereinsmitglied Cord Hockemeyer hat sich so beispielsweise einen modernen „Varroa-Controller“ angeschafft, um eine thermische Vernichtung der Milben auszutesten. Das Vereinsmitglied Ulrike Schmidt beschäftigt sich intensiv mit der Bekämpfung des Parasiten durch einen Nützling, den Bücherskorpion.
Die 1990’er
Die grüne Öko-Bewegung der 80er Jahre scheint – abgesehen von einer leicht angestiegenen Mitgliederzahl – nahezu spurlos am Imkerverein Kirchweyhe vorbeigezogen zu sein. Jedenfalls lassen sich dem Archiv keine entsprechenden reaktionären Unterlagen entnehmen. Erst in den 90er Jahren präsentierte man sich – insbesondere aufgrund des engagierten Schriftführers Peter Steinke (trotz oder gerade aufgrund besonderer juristischer Herausforderungen mit der eigenen Imkerei) – verstärkt in der Öffentlichkeit. Es wurden nicht nur zahlreiche Pressemitteilungen formuliert, die tatsächlich inkl. Bebilderung in den Druck gingen. Der Verein zeigte sich, seine Materialien und seine Arbeit auch auf den Weyher Frühjahrs-/Herbstmärkten (später sogar einmal auf dem Weyhnachtsmarkt inkl. Kerzengießen), 2x auf dem Markt der Felicianuskirche in Kirchweyhe und von 1992-2000 auch jährlich auf dem Weyher Umwelttag – inkl. Filmvorführungen und Aufstellungen von echten Bienenvölkern in verglasten Schaukästen.
Von 1989-95 boten die Imker Ausflüge für Kinder im Rahmen der Weyher Ferienkiste an:
- 1989 Ausflug in das Renzeler Moor & Schau einer Heideimkerei
- 1990 Ausflug zum Lehrbienenstand am Lür-Kropp-Hof in Oberneuland
- 1991 Ausflug zum Bieneninstitut in Celle
- 1993 Ausflug zu Hummeln, Wespen und Hornissen bei Horst Jäckel in Syke
- 1994 Ausflug zur Korbimkerei in Faßberg
- 1995 Ausflug zum Umweltzentrum in Barnstorf
Seit 1993 (bis heute !) klärten Vereinsmitglieder (z.T. mehrmals) jährlich in der KGS Leeste über die Imkerei & Bienenkunde auf. 1994 wurde in Zusammenarbeit mit den Lehrerehepaaren Roloff & Jung sogar ein Bienen-Schaukasten im Schulgarten aufgestellt und über mehrere Jahre betreut. Der Verein war in dieser Hinsicht Vorreiter, insbesondere auch was die Öffnung von Bienenvölkern vor Publikum anbelangte, was bis hierhin von der alten Imkerschaft eher „unter dem Deckel“ gehalten wurde.
Erst 1996 erging vom Landesverband Hannoverscher Imker ein Rundschreiben an alle Imkervereine, man möge sich doch lokal bitte vermehrt um Aufklärungsarbeit – speziell in den Schulen – bemühen. Der Imkerverein Kirchweyhe erwiderte mit zahlreichen Berichten über das bereits bestehende Engagement und erhielt hierfür einen freundlichen Dank aus Hannover zurück.
Das war ein guter Ausgleich zum vorangegangenen Negativerlebnis im Jahre 1993: Der Imkerverein nahm an einer Pflanzaktion in Melchiorshausen teil und hatte sich in diesem Zusammenhang auch um den „Weyher Umweltpreis“ beworben. Diese Bewerbung wurde am Veranstaltungstag mit den Worten abgeschmettert, „Bienen würden ja nur aus Eigennutz gehalten“, womit auf die angebliche Gewinnung von Einnahmen aus dem Honigverkauf abgezielt werden sollte.
Natürlich gibt es auch Nebenerwerbs- & Berufsimker, die von der Bienenhaltung leben, 96 % aller deutschen Imker halten ihre Bienen aber als Hobby. Es ist steuerrechtlich bestätigt, dass eine Hobby-Imkerei (<30 Völker) durch die notwendigen Investitionen & die Arbeitsintensität gar keine Gewinne erzielen kann. Imker sehen sich daher eindeutig nicht als „Eigennützler“, sondern vielmehr als „Naturschützer“. Durch die freiwillige & aufwändige Betreibung ihres Hobbys tragen sie zum Erhalt der Honigbiene bei, stellen sie der Umwelt quasi „zur Verfügung“ und leisten damit einen großen Beitrag für die Natur – insbesondere was die erfolgreiche Bestäubung der Pflanzen (Wild- & Nutzpflanzen) anbelangt. Das alles erfolgt für die Gesellschaft & auch die (Land)Wirtschaft i.d.R. kostenfrei – zudem engagieren sich Imker reichlich ehrenamtlich z.B. in Schulen & Museen.
Auch aus heutiger Sicht erscheint es daher nach wie vor verständlich, dass die Vereinsmitglieder mehr als erbost über die Aussagen zum „Weyher Umweltpreis“ waren und noch lange Zeit darüber diskutierten.
Das Jahr 1998 brachte den Fokus der Imker schließlich auf ein ganz anderes Thema: Zum ersten Mal wurde von Amts wegen im Ortsteil Melchiorshausen ein Sperrbezirk der „Amerikanischen Faulbrut (kurz AFB)“ ausgerufen. Bei dieser Seuche kommt es aufgrund eines Bakteriums zum Absterben & Auflösen der Bienenmaden. Trocknen die Überreste schließlich ein, entstehen konzentrierte und somit hoch-infektiöse Schorfe, die von den Bienen überallhin verschleppt werden und sich Völker im jeweiligen Flugradius (meist durch gegenseitiges „Beräubern“) somit rasch gegenseitig anstecken können.
Ohne Nachkommenschaft gehen die Bienenvölker dann über kurz oder lang zugrunde. Speziell ausgebildete Bienensachverständige (inzwischen haben sich 5 Imker des Vereins zum BSV ausbilden lassen) begutachten in solchen Fällen (z.T. offiziell im Auftrag des Veterinäramtes) die Bienenvölker im Umkreis, nehmen sogenannte Futterkranzproben (d.h. Löffel-Proben aus dem Wabenbestand der Völker inkl. darin enthaltenem Futtervorrat) und senden diese zur Untersuchung ins Labor. Im schlimmsten Fall müssen betroffene, insbesondere schon geschwächte Völker durch Abschwefelung getötet werden. In minder schweren Fällen können aufwändige „Sanierungen“ das Überleben der Bienenvölker retten.
Erfolgt die Beprobung & Sanierung nicht absolut 100%ig, ist wie bei allen Seuchen die Gefahr einer Re-Infektion gegeben. Noch bis 2008 flammte sie daher immer mal wieder an verschiedenen Stellen Weyhes auf. 10 Jahre haben wir nun ohne sie imkern können, bis just im Februar 2019 ein erneuter Ausbruch festgestellt wurde – dieses Mal im Sudweyher Bruch.
Haben sich Imker in den vergangenen Jahrzehnten noch gegenseitig schlimme Schuldzuweisungen in Sachen Faulbrut erteilt, so können wir heute – nicht zuletzt dank zahlreicher Aufklärungen & Schulungen – erfreulicherweise offen über dieses Thema sprechen und gemeinsam mit dem Veterinäramt an einem Strang ziehen, um das Problem möglichst schnell wieder aus der Welt zu schaffen.
Durch den „Erstbefall“ im Landkreis wurde der Imkerverein Kirchweyhe auch hinsichtlich dieser Tierseuche zum Vorreiter: Gleich nach dem Ausbruch schaffte sich der Verein bereits 1998 einen ersten (2017 mithilfe des 2. Vors. Klaus Kassler sogar einen zweiten) eigenen Waschzuber sowie einen passenden Gasbrenner & Hochdruckreiniger an. Seitdem wird (bis heute !) 2x jährlich ein sogenannter „Waschtag“ angeboten. Hier können Imker ihre zur Zeit ungenutzten Materialien pro-aktiv in einer kochenden Natronlauge reinigen. Alles anhaftende „organische Material“ – inkl. möglicher Krankheitssporen – wird auf diese Weise abgetötet. Ein besonderer Dank gebührt diesbezüglich dem Mitglied Jens Schulken, der an diesen Tagen zuverlässig vom frühen Aufbau bis zum späten Abbau – undzwar egal bei welchem Wetter – einen enormen persönlichen Einsatz leistet.
Die 2000’er
Etwa zur Jahrtausendwende begann eine zunehmende Individualisierung der Menschen. Die Bedeutung von Vereinen als Interessensgemeinschaft wurde stetig schwächer. Es wurde immer schwieriger, gemeinsame Aktionen auf die Beine zu stellen oder überhaupt das Grundgerüst eines Vereins am Laufen zu halten – nicht nur bei den Imkern, sondern auch bei vielen anderen Vereinen & Institutionen.
Bei den Bienenhaltern kam neben rückläufigen Mitgliederzahlen auch eine vermehrte Überalterung erschwerend hinzu. Imkerei ist ein kenntnisforderndes, arbeitsintensives und im Vergleich zu ein Paar Fußballschuhen auch recht kostspieliges Hobby. Viele Menschen kümmern sich verständlicherweise erst einmal um ihre Ausbildung, Karriere, Heim- & Familiengründung, bevor das Interesse und auch die Muße für die Natur & die Bienen aufkommen können.
Zulange darf man mit dem Aufbau einer eigenen Imkerei aber auch nicht warten. Wie in der Landwirtschaft, vergeht auch bei den Bienen immer ein ganzes Jahr, bis man wieder die Chance erhält, erworbene Erkenntnisse in die nächste Praxisphase einzubringen und dadurch im günstigsten Fall erfolgreicher und auch unbeschwerter zu imkern. Je später im Leben damit begonnen wird, umso weniger „Durchläufe“ können absolviert & optimiert werden.
Auch schwinden mit den Jahren des Alterns oftmals die Kräfte. In der Imkerei muss aber z.T. auch schwer gehoben werden können. Wenn dann nicht auf eine helfende Hand zurückgegriffen werden kann, wird es mit der Bienenhaltung beschwerlich.
Imkerei ist per se eh kein „Ein-Mann-Hobby“, sondern betrifft in der Regel die ganze Familie, Nachbarn, Freunde, Kollegen & Bekannte. Nicht nur, dass geplante gemeinsame Reisen möglichst an die Bienensaison angepasst werden müssen, auch gibt es zahlreiche Zuarbeiten zu verrichten, die den Hauptakteur entlasten können. Letzten Endes ist die Arbeit in der Gemeinschaft doch auch immer viel leichter. Und es ist schön, dass es dabei immer noch gelingt, eine Imkerei von Generation zu Generation weiterzugeben – Bienenhalter wie Gerald Bäker & Harro Beckefeld führen so beispielsweise die Tradition ihrer Väter im Imkerverein Kirchweyhe fort. Andere Imker erlernen die notwendigen Fertigkeiten über Patenschaften – eine seit jeher erfolgreich praktizierte Starthilfe in die eigene Imkerei.
Die Dachorganisation der Imker, der Deutsche Imkerbund, setzte nun jedenfalls vermehrt auf die Werbung für den Erhalt der Imkerei. Unser Vereinsmitglied Adolf Scherbinske richtete daraufhin bei sich zu Hause in Thedinghausen ein kleines Bienenmuseum ein und führt hier bis heute interessierte Gruppen verschiedenster Altersstufen durch die faszinierende Welt der Imkerei. Mitglieder wie Manfred Böker und Friedrich Huntemann arbeiteten immer wieder die Biene in ihre Vorträge beim NABU oder bei der Jägerschaft ein. Und der Verein präsentierte sich sogar einmal auf der Bremer Haushaltsmesse „Hafa“ – heute „HanseLife“.
Unser 1. Vorsitzende Manfred von Weyhe warb nach seinem Renteneintritt über 10 Jahre lang (2006-2017) an mehreren Aktionstagen im Jahr im Syker Kreismuseum für sein Hobby und führte (neben seinem weiterhin anhaltendem Engagement in Kindergärten, Schulen, Mehrgenerationenhäusern, Vereinen, Seniorengruppen & Altenheimen) außerdem zahlreiche Erwachsenen-Gruppen durch die eigene Imkerei – darunter ebenso „Weyher Gästeführungen“ – immer auch, um den einen oder anderen Neu-Imker zu gewinnen.
2005 erhielten die Kirchweyher Imker daher sogar einen Ehrenpreis für „besondere Leistungen in der Mitgliederwerbung“ vom Hannoverschen Landesverband.
Seit 2013 beteiligt sich der Verein auch an den seit nunmehr 10 Jahren jährlich auf Kreisebene stattfindenden Neuimkerschulungen (siehe www.kiv-diepholz.de).
Zum Auftakt versucht die Referentin Xenia von Weyhe den Teilnehmern aufzuzeigen, wie umfangreich das Wissensspektrum (mit z.B. Naturwissenschaften, Ökologie, Medizin & Ernährung, Technik, Wirtschaftswissenschaften, aber auch „weichen Faktoren“ – siehe Anhang) rund um Imkerei & Bienenkunde ist. Die Beweisführung gelingt sogleich durch ein Zitat aus einem der bekanntesten, umfangreichsten, mehrbändigen Tierenzyklopädien des Buchmarktes – Brehms Tierleben von 1911: „Das Leben der Honigbiene des näheren zu schildern, erlaubt der Raum dieses Buches nicht.“
Imker werden bedeutet eine sehr lange Lernphase. Wer den Grundkurs absolviert hat, ist noch lange kein ausgebildeter Imker. Erst mit den Jahren der Praxis kann sich das Verständnis über die komplexen Zusammenhänge ausbilden und auch genutzt werden. Stellen sich in der ersten Zeit nicht gleich Erfolge ein, sondern werden evtl. sogar Völkerverluste erlebt, wird das Hobby – den Gesetzen der modernen Zeit folgend – schnell „hingeworfen“ und ein neues gesucht. Die Imkerei ist so – wie vieles andere auch – vor die Herausforderung gestellt, in einer sich rasant ändernden Welt voller Möglichkeiten eine gewisses Maß an Beständigkeit zu erhalten.
Erfahrungsgemäß fängt 1/3 der Teilnehmer unserer Neuimkerkurse das Hobby nach erster theoretischer Übersicht über die Komplexität gar nicht erst an. Ein weiteres Drittel startet zwar mit der Imkerei, gibt sie aber schon bald wieder auf. Nur beim letzten Drittel können wir von einer längerfristigen Bienenhaltung ausgehen.
Auf diese Weise konnten bereits zahlreiche neue, auch jüngere Imker (inzwischen auch nicht mehr nur Männern, sondern zu gleichen Teilen auch Frauen…) ausgebildet und teilweise auch als Mitglieder für die lokalen Vereine gewonnen werden. So erlebte der Imkerverein Kirchweyhe im Jahre 2018 sein bisheriges Hoch mit 36 Mitgliedern und 301 Völkern
Die 2010’er
Die vergangenen 10 Jahre waren erst einmal von der vermehrten Schulung der „Alt-Imker“ zu bestehenden, umformulierten oder gänzlich neu erschaffenen Verordnungen geprägt. Angefangen bei der „simplen“ Meldepflicht der Bienenvölker beim Veterinäramt, über die Bestandsbuchführung über die Einbringung von Behandlungsmitteln gegen die Varroa in die Bienenvölker, die Zulassung aber auch der Zulassungsentzug für dieses oder jenes Varroazid, das richtige Verhalten im Falle einer behördlichen Überprüfung – z.B. durch das Veterinär- oder Lebensmittel-überwachungsamt, die Kennzeichnungsregeln für in den Verkehr gebrachten Honig, in diesem Zusammenhang auch die korrekte Benutzung eines Refraktometers (zur Bestimmung des Wassergehalts eines Honigs) sowie einer geeichten Waage (inkl. Beachtung des Eich-Siegels), Regelungen zum Pfandsystem & zur Steuerpflicht, weiterhin die Spielregeln zur Beantragung eines Gesundheitszeugnisses oder einer Wandergenehmigung, der Umgang mit einem Schadenfall (sei es Diebstahl, Frevel oder gar ein Spritzmittelschaden), auch Betretungsrechte im Schaden- oder Schwarmfall, etc. etc. bis hin zur neuesten EU-Datenschutzrichtlinie. Zwischenzeitlich beschäftigte die Imker sogar die Frage, ob zur Aufstellung von Bienenvölkern „Baugenehmigungen“ benötigt würden.
Parallel kehrte durch medial umfassend erläuterte Umwelt- & Lebensmittelskandale das Thema Ökologie in den Fokus zurück. Die inzwischen über allen Themenbereichen stehende Frage „Wie können & wollen wir Menschen in Zukunft (über)leben ?“ hat sich längst auch über die Imkerei gelegt.
Die Gefährdungen der Biene sind vielschichtig geworden:
Die Klimaveränderungen führen zu einer gefühlten Verschiebung der Jahreszeiten, so dass die Blühzeiten der Pflanzen und der Entwicklungsstand der Bienenvölker nicht mehr so recht zueinander passen. Extreme Hitze, aber auch gehäufte Unwetter, Stürme & Niederschläge nehmen Einfluss auf die Nektarabgabe der Pflanzen & die möglichen Flugtage der Insekten. Wir haben entweder zu lange & heftige Winter, oder aber zu milde Winter, was Einfluss auf das Brutverhalten, die Wintervorräte und somit auch das Überleben der Bienenvölkern nimmt.
Mit den Klimaveränderungen gehen auch Veränderungen in der Vegetation einher. Für unsere hiesigen Bienen bislang unbekannte Pflanzenarten halten Einzug in unsere Geographie. Pflanzen, die PA, also Pyrrolizidin-Alkaloide, produzieren, sind dabei auf dem Vormarsch. Bei PA handelt es sich um sekundäre Pflanzenstoffe u.a. zum Fraßschutz – sie belasten scheinbar die Bienen nicht, gehen aber in den Honig über und verursachen beim Menschen irreversible Leberschäden und Krebserkrankungen – am Bekanntesten dürfte das PA-produzierende Jakobskreuzkraut (JKK) sein.
Parallel kommt es zu einer immer stärkeren „Aufräumung“ der Landschaft durch den Menschen – nicht nur die Entfernung von alten oder gar toten Pflanzen, sondern auch zu häufige & massive Rückschnitte von gesunden & kräftigen Pflanzen (inkl. wöchentlichem Rasenmähen…). Die Landwirtschaft wird großflächiger – und nicht nur dort – auch in den Klein- und Vorgärten – wird es plötzlich immer monotoner & trister für unsere Insekten. Es kommt nicht nur zur einseitigen, sondern teilweise auch unzureichenden Ernährung, da es in einer Monotonie eben auch nur kurzfristig blüht. Dieses bedroht besonders die stark auf einzelne Pflanzenarten und nur in einem kleinen Umkreis fliegenden Wildbienenarten schnell in ihrer Existenz.
Beide – sowohl die Klima- als auch die Vegetationsveränderungen – ziehen auch den Einzug von bislang nicht heimischen bzw. die Ausbreitung von bislang nur in geringer Anzahl vorhandenen Lebewesen, darunter auch Schädlinge, Ungeziefer, Viren & Bakterien nach sich.
Der Mensch wird gezwungen und durch den Fortschritt auch ermöglicht, in ganz neuem Maße gegenzusteuern. Insbesondere Landwirte kämpfen mit einer Vielzahl verschiedener Pflanzenschutzmitteln für das Überleben ihrer Kulturen & Erträge. Moderne Wirkstoffe wie Neonicotinoide wirken bereits in kleinsten Mengen und führen nicht nur 2008 im deutschen Oberrheingraben zum Tod von 11.500 Bienenvölkern mit etwa 330 Mio. Individuen. Man muss sich darüber im Klaren sein, dass eine Menge der in der Natur (auch auf den kommunalen & privaten Flächen !) ausgebrachten Chemikalien entweder zum Tod der Insekten (auch anderer Tiere) führen, oder aber später im Honig (oder auch anderen Lebensmitteln) auftauchen können. Gleiches gilt natürlich auch für die weltweit in unterschiedlicher Art & Weise zugelassenen „Medikamente“ zur Behandlung von Bienenkrankheiten. Immer mehr Schadstoffe und auch Mikroplastik werden zur allgegenwärtigen Belastung von Luft & Wasser.
Scheinbar nebensächlich verbreiten sich die Genmanipulation & der Mobilfunk, ohne dass deren Auswirkungen/Risiken auf die Bienen und auch Menschen gänzlich erforscht wären. Gleichzeitig werden Bienen verstärkt rücksichtslos zur Bestäubung oder auch Ernte von Sortenhonigen über hunderte – in den USA auch tausende – Kilometer durch die Gegend gefahren und somit einem hohen „Reisestress“ ausgesetzt.
Dabei dezimieren die zahlreichen, alt-hergebrachten Adult- & Brut-Krankheiten den Bestand der Bienenvölker sowieso schon nahezu uneingeschränkt weiter.
„CCD“ (Colony Collapse Disorder) ist inzwischen zum Fachterminus des nahezu global auftretenden, massenhaften Bienensterbens geworden.
„Die Bienen sterben nicht einfach an Pestiziden oder Milben oder Antibiotika oder Inzucht oder Stress. Es ist die Summe von allem. Die Bienen sterben am Erfolg der Zivilisation.“ (Markus Imhoof, geb. 1941, Regisseur des Kinofilms „More than Honey“)
Die Biene lebt seit 50-100 Mio. Jahren auf der Erde. Jedem Individuum sind im Sommer nur etwa 40 Lebenstage vergönnt. Wie soll dieses Insekt innerhalb dieser Zeit Erkenntnisse über Veränderungen in seiner Umwelt gewinnen und an die nächste Generation lehrreich weitergeben ?
Vor etwa 10.000 Jahren wurde der Mensch sesshaft. Er führte den Ackerbau & die Viehzucht ein, so dass es fortan ausreichend Nahrung an einem Ort gab. Bienen gehörten zunächst noch nicht zu den domestizierten Nutztieren. Ihr ursprünglicher/natürlicher Wohnort – der Wald – blieb noch lange erhalten. In Ermangelung anderer Süßungsmittel, mussten Honigjäger die wilden Bienenvölker im Wald aufspüren, um den Honig erbeuten zu können. Die gezielte Haltung von Bienen in von Menschen gebauten Behausungen entstand erst um ca. 4-2.000 v.Chr. im alten Ägypten und verbreitete sich insbesondere durch die Christianisierung (mit ihrem enormen Kerzenverbrauch in Kirchen & Klöstern) weltweit.
Seit etwa 150-200 Jahren betreibt der Mensch nun Industrialisierung & Globalisierung im großen Stil. Damit einhergehende Veränderungen der Umwelt sowie steigende Gefährdungen des Überlebens der Biene sind somit noch ein vergleichsweise „junges“ Thema für die Imker.
Sicher betreiben sie schon längere Zeit Zucht, versuchen also durch Auslese, Paarungskontrolle (entweder durch Schutzradien um sogenannte „Belegstellen“ herum, oder aber inzwischen auch durch künstliche Befruchtung im Labor !) und Vervielfältigung besonders resistenter bzw. erfolgreicher Bienen den Veränderungen in der Natur entgegenzukommen. Wir sind aber immer noch damit beschäftigt, das „alte“ Wissen um die Bienen (z.B. Flugloch-Beobachtungen, Wabengassen- und Gemülle-Diagnosen, Brutbild-Beurteilungen, etc.) zu erhalten und mit den neuesten Erkenntnissen aus der Forschung zu verknüpfen.
Durch institutionelle Initiativen, zahlreiche Medienberichte, aber auch die Politik selbst (z.B. durch erhöhte Fördermittel für Landwirte durch die Einholung der Unterschrift eines lokalen Imkers) werden Bienenhalter wieder vermehrt gefordert, sich an Gesprächsrunden zu beteiligen. Sei es mit Landwirten (so z.B. die jährlich stattfindende „Imkerrunde“ des Landvolk Niedersachsen – Kreisverband Mittelweser – einer Art Austausch zwischen Imkern & Landwirten zur Verbesserung der Zusammenarbeit – jährliche Teilnahme des IV Kirchweyhe seit 2008 – 2019 erstmals Absage – ausführlich begründet…), den Gemeinde-/Stadtverwaltungen (so z.B. der seit 2018 stattfindende Erfahrungsaustausch „Blühstreifen in Weyhe“ unter der Leitung des NABU im Rahmen der Projektgruppe W.i.N. („Wir im Norden“) Region) und auch der Politik im Allgemeinen (z.B. auf der Grünen Woche in Berlin oder das kürzliche Volksbegehren in Bayern mit dem Titel „Rettet die Bienen“).
Als Imkerverein Kirchweyhe sehen wir hierin im Moment kaum noch einen zielführenden Nutzen. Allzu oft wurde uns bereits mehr als deutlich klargemacht, weshalb dieses oder jenes nicht möglich wäre – meist weil die möglichen Maßnahmen „der Gesellschaft zu wenig wert seien“.
Unserer Erfahrung nach können wir auf lokaler & direkter Ebene – und insbesondere mit wirklich engagierten Privatleuten, teilweise auch interessierten Betrieben – ohne viel Diskussion & Aufwand mehr erreichen. Als Beispiel dient nicht nur der 2010 von Stefan von Weyhe bei der Firma Jacobs Douwe Egberts in Bremen-Hemelingen eingerichtete Bienenstand inkl. zeitweisem Einbezug der Lehrlinge in das Honigschleudern. Auch die 2017 von Vereinsmitglied Nicole Weydmann initiierten Gespräche & Feldbegehungen mit der SWB als Pächter vieler lokaler Flächen für die Bewirtschaftung der Biogasanlagen sowie dem Flächen-bearbeitenden Weyher Maschinenring können als erfolgreiche Maßnahme in Bezug auf das Thema Blühstreifen & Spritzmitteleinsatz auf lokaler Ebene verbucht werden. Selbst die Animation einer kleinen Bürgerinitiative in Dreye, die Straßenrabatten nach Rücksprache mit der Gemeindeverwaltung insektenfreundlich einzusäen zeigt, wie unkompliziert & rasch Dinge in die Praxis umgesetzt werden können.
Wenn wir als Imkerverein die Augen dafür öffnen können, dass eine monotone, rein begraste oder gar komplett zubetonierte Landschaft nicht gut für uns ist, sondern wir stattdessen eine Blütenvielfalt benötigen und jeder im Blumenkasten oder Vorgarten einen kleinen Beitrag dazu leisten kann, sind wir schon ein Stück weiter.
Der „Bienenweide“-Referent aus unserer Neuimkerschulung, Nils Waßmann, wirbt jedes Jahr wieder eindrucksvoll dafür, dass ein Umdenken in der Gesellschaft stattfinden muss – weg von der Aufgeräumtheit und dem regelmäßigen großflächigem Rückschnitt der Pflanzen – hin zu einem Stück weit freiem Wildwuchs und insbesondere hin zu einem lockeren Blick hierauf durch die Menschen. Dazu gehört möglicherweise auch, das Wort „Unkraut“ gänzlich aus unserem Sprachschatz zu streichen.
Wenn man in Kindergärten & Schulen versucht, entsprechenden Einfluss auf den Blick der Jugend zu nehmen, kann langfristig vielleicht etwas verändert werden.
Denn langfristig helfen uns keine Handvoll eingestreute beblütete kleine „Inseln“ mehr, sondern es muss (wieder) ein durchgehendes – sowohl flächenmäßiges wie jahresverlaufsmäßiges – Blütenfließband für die Insektenwelt entstehen.
Imkerei heute & in Zukunft
Nun – 2019 – wird der Imkerverein Kirchweyhe also 70 Jahre alt. Die Mitglieder haben beschlossen, dieses nicht gesondert zu feiern, sondern dieses erst zum 75. wieder zu tun. Zum 40. Jubiläum durfte der Verein (zusammen mit Mitstreitern aus Syke/Bassum) im März 1989 über 4 Wochenenden lang in der Wassermühle Sudweyhe zum Thema „Bienen im Dienste der Umwelt“ ausstellen. In das Gästebuch trugen sich mehr als 450 Personen und zusätzlich 4 Schulklassen ein. Zum 50. Jubiläum im Jahre 1999 wurde erstmals ein Sommer-Grillfest ausgerichtet, welches seitdem jährlich – meist beim 1. Vorsitzenden – durchgeführt wird. Zum 70. gibt es immerhin diese kleine, bescheidene Chronik für die Mitglieder, Freunde & Interessierte sowie die Presse.
Bleibt uns zum Abschluss noch ein Blick in die Zukunft zu werfen – wie wird es weitergehen mit der Imkerei und mit dem Imkerverein Kirchweyhe ?
Der 10jährige Jan von Weyhe (Enkel des 1. Vorsitzenden & somit Imker in mindestens 5. Generation) ist aktuell das jüngste Mitglied unseres Vereins. Wir alle müssen uns bemühen, ihm trotz negativer Schlagzeilen in den Medien auch eine positive Zukunft vorherzusagen und auch alles irgend mögliche hierfür zu tun.
Gerade in einer unsicherer & hektischer werdenden Zeit, kann die Imkerei eine Art „geregelten Rückzugsort voller Konstanten“ und auch die Möglichkeit bieten, bei der Arbeit mit den Bienen einfach einmal ruhiger zu werden und „runterzufahren“. Außerdem kann sie ein hohes Maß an Bestätigung und auch Sinnhaftigkeit für das eigene Tun & Leben spenden.
Denn 80 % aller heimischen Blütenpflanzen (Nutz- & Wildpflanzen) sind auf eine Insektenbestäubung angewiesen, um Früchte, Saatgut sowie nachwachsende Rohstoffe bilden und so Ausgangspunkt vieler Nahrungsketten sein zu können. Die Bestäubung durch Bienen wirkt sich auch positiv auf die Qualität der Früchte, z.B. ihren Vitamin-, Mineralstoff- oder auch Ölgehalt sowie ihre Festigkeit & Haltbarkeit aus, so dass ein gleichwertiger technischer Ersatz schwerlich zu erfinden sein wird.
Natürlich gibt es jede Menge Pflanzen, die aufgrund des Aufbaus ihrer Blüten und der Lage ihrer Nektarien ausschließlich von Wildbienenarten mit entsprechenden Rüssellängen bestäubt werden können. Da die Honigbiene aber als ganzes Volk überwintert und somit bereits früh im Jahr mit einer starken Mannschaft an Bestäubern zur Verfügung steht, über eine hohe Sinnesleistung (Wahrnehmung, Orientierung & Gedächtnis) verfügt, mithilfe eines Kommunikationssystems (dem Schwänzeltanz) untereinander Nachrichten über mögliche Trachtquellen austauscht und diese dann systematisch (blütenstet) aberntet, kommt ihr ein besonderer Anteil an der Bestäubungsleistung zuteil. In Obstkulturen liegt ihr Bestäubungsanteil beispielsweise im Vergleich zu anderen Insekten bei 80 % !
Die Honigbiene
ist aufgrund ihrer Bestäubungsleistung daher nach Rind und Schwein das
dritt-wichtigste Nutztier des Menschen !
„Jeder Staat muss ein stehendes Heer von Bienen haben.“
(Christian-Konrad Sprengel, 1750-1816 (!), Begründer der „modernen“ Blütenökologie)
„Wenn die Biene stirbt, hat der Mensch nur noch 4 Jahre zu leben.“
(angeblich Albert Einstein, 1879-1955)
In der zentralchinesischen Provinz Sichuan bestäuben schon heute Menschen ihre Obstbäume per Hand mit Wattestäbchen, weil Bienen dort nicht mehr heimisch sind !
Es ist also wichtig, die Imkerei als Teil unserer Kultur zu erhalten und für die Zukunft zu sichern.
Imker und Bienen brauchen Forschung & Entwicklung, Beratung & Schulung, Unterstützung & Nachwuchs. Eine ausreichende flächendeckende Verteilung von Bienenvölkern ist nur durch genügend Imker mit hohem Fachwissen und zeitintensivem persönlichen Einsatz sicherzustellen.
„Wenn es keine Bienen mehr gibt, gibt es auch keine Sämereien mehr, wovon sich die Vögel und nachfolgende Nahrungsketten ernähren. Ich möchte, dass auch mein Enkel noch die Feldlerche sehen und singen hören kann, wenn er einmal im Rentenalter ist – und zwar nicht nur über ein Smartphone, sondern in natura !“
(Manfred von Weyhe, 1. Vors. des Imkervereins Kirchweyhe).
Und so möchten wir mit den weisen Worten schließen, deren Ursprung uns leider nicht bekannt ist, aber die uns seit Jahren durch die Herausforderungen der Imkerei tragen:
Das alte Wissen ehren,
das neue Wissen mehren
und in alter Imkertugend
weitergeben an die Jugend.
Die ersten Vorsitzenden des Imkerverein Kirchweyhe…
1949-1953 Franz Füchter
1954-1974 Heinrich Othersen
1975-1991 Reinhard Stöver
seit 1992 Manfred von Weyhe